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Lt. Bericht des Hamburger Abendblatts sollen mit dem Beginn der Fäll-Saison
(1.10.) die Sägen am Gehölz angesetzt werden, das den beiden Baustraßen im Weg steht: Konkret geht es um die gut einen Kilometer lange Lkw-Zufahrt, die parallel zum Bahndamm vom Mittleren
Landweg aus Sandtransporte auf die 118 Hektar große Fläche ermöglicht. Und etwas später auch um die Vorbereitung ihres Pendants aus Nordosten, der Baustraße, die in Bergedorf-West
vom Billwerder Billdeich auf das Areal in Richtung Oberbillwerder einbiegt. Besonders hier dürften viele Bäume fallen, braucht es doch auch eine Ausweitung der engen
Deichstraße. Die meisten Bäume sind bereits 70-100 Jahre alt.
Damit soll der Transportweg für Unmengen an Sand freigemacht werden, die die Billwerder Kulturlandschaft in Oberbillwerder endgültig begraben würden. Es wäre nicht nur ein gravierender Einschnitt
in die Natur, es wäre auch der Beginn der Zerstörung des gewachsenen Dorfcharakters Billwerder mit seiner besonderen Deichstraße.
Ein tatsächlich absehbares Ergebnis, das alle Beteiligten aber erstmal ratlos zurückließ. „Damit liegt nun die gesamte Projektentwicklung der zentralen Achse von Oberbillwerder auf Eis, einschließlich des Fleetplatzes und der Bahnunterführung“, konstatierte Bergedorfs Baudezernent Lars Rosinski. Bis zur Bezirksversammlung am 22. Mai soll im Rathaus nun geklärt werden, was das Votum vom 6:5 Stimmen gegen die Fortsetzung der Projektentwicklung für Folgen hat. (Bergedorfer Zeitung 10.5.25).
Hierzu unser Kommentar:
Erneut wird deutlich, dass die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Bezirk mit Füßen getreten wird. Der Senat reißt die Planungen für Oberbillwerder an sich, weckt bei den Nachbarn des künftigen Großstadtteils Oberbillwerder mit weiterer Beteiligung Hoffnungen auf eine Aufwertung des eigenen Lebensumfeldes - und macht dabei die Rechnung ohne den Wirt. Dieser neue Senat schafft es nicht, die Pläne für die Anbindung Oberbillwerders nach Neuallermöhe politisch durchzusetzen.
Dabei müsste im hiesigen Fall der in die Jahre gekommene Fleetplatz dringend aufgewertet werden, nicht nur aus Sicht einer am Menschen orientierten Stadtplanung, sondern allein schon vom Aspekt einer klimaresistenten Stadt wären hier sehr zeitnah Entsiegelung und Beschattung geboten.
All das ist der Wunsch der Neuallermöher:innen, deren Ideen ohnehin kaum zeitnah umsetzbar gewesen wären. Im Raum steht inzwischen das Ende der Vierzigerjahre. Nein, eine Umsetzung steht nun komplett auf der Kippe.
Wieder einmal erweist sich ein zentraler Aspekt der Planung als nicht umsetzbar. Ohne durch die von den Bergedorfer:innen gewählten Vertreter:innen im Bezirk erweist sich Oberbillwerder als nicht machbar.
Schnell zur Hamburg-Wahl hatte der alte Senat das Bebauungsplanverfahren für Oberbillwerder beschlossen. Mit der Veröffentlichung am 7. März 2025 im Amtlichen Anzeiger ist der rechtliche Rahmen gesetzt.
Und nun? Ein verabschiedeter Bebaungsplan (B-Plan) gibt im Falle von Oberbillwerder noch lange nicht die Berechtigung Sand aufzu-
schütten und zu bauen. Für eine sogenannte Vorweggenehmigungsreife müssen die vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen erfolgreich sein (was bisher bei den Wiesenvögeln, um die es hauptsächlich geht, nicht der Fall ist) und der Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung bei der Behörde eingegangen sein. Für die wasserrechtliche Genehmigung bedarf es hier einer eigenen Umweltvorprüfung
(UVP). Am 12.12.2024 gab es mit den Trägern öffentlicher Belange ein sogenanntes „Scoping“ (§ 4 Abs. 1 BauGB), in dem
sie sich zum erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad des Umweltprüfung äußern sollten, Vertreter der Dorfgemeinschaft Billwärder und des Wasserverbandes Nettelnburg waren auch dabei. Die abgebildete Karte (rechts oben) zeigt den geplanten Untersuchungsraum, der nach Meinung der Dorfgemeinschaft wieder viel zu klein gefasst ist.
Die umfangreichen Unterlagen aus dem B-Plan-Verfahren bilden zwar eine maßgebliche Grundlage zur Erstellung des UVP-Berichtes, diese sind aber unvollständig oder schon älter als fünf Jahre und somit veraltet. Die IPEG* beabsichtigt ergänzend, nachstehende Untersuchungen als Grundlagen für den UVP-Bericht zu erstellen:
1) Schalltechnische Untersuchungen/ Lärmschutz (Bauphase)
2) Ggf. Erschütterungsgutachten (Bauphase)
3) Baugrunduntersuchungen (ggf. einschl. orientierende
Schadstofferkundung)
4) Baulogistikkonzept: u.a. Bauablauf,
Baustelleneinrichtungsflächen, Leitungsumlegungen,
provisorische Verkehrsführungen
5) Bauwassermanagement / Wasserhaltung (Bauphase)
6) Bodenmanagement bzw. -schutzkonzept (Bauphase)
7) Untersuchung Hydrogeologie
8) Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie (Fachbeitrag UVP-Bericht)
9) Landschaftspflegerischer Begleitplan
10) Artenschutzfachbeitrag, inkl. Aktualisierung der
Kartierungen relevanter Arten und ergänzende Erfassung
Biotope, Einzelbäume, Arten gefährdeter und geschützter
Tier- und Pflanzenarten
11) Hydraulisches Nachweisverfahren
12) Klimatechnische Untersuchung
Wer sich schon einmal mit den B-Plan Unterlagen befasst hat, sieht sofort, dass vieles nun zum zweiten Mal beauftragt wird,
und nur weil die wasserrechtliche Genehmigung erst im nachhin-
ein erteilt wer den soll (wofür gut zwei Jahre Bearbeitungszeit
eingeplant sind).
Am 9.12.24 wurde in Aussicht gestellt, dass der Antrag im Herbst gestellt werden soll. Sehr sportlich angesichts der Tatsache, dass ein wichtiges Libellen-Gutachten erst im Spätsommer erstellt
werden kann. Auf unsere Frage, wieso die wasserrechtliche Genehmigung für Oberbillwerder nicht gleich zusammen
mit der Korridorfläche – die westlich anschließt – zusammen gemacht werden kann, schon weil der eine Teil vernässt und der andere eher ein Problem mit der Entwässerung hat, gab es eine
verblüffend einfache, aber unsinnige, fiskalische Antwort: Das ginge nicht, denn der Auftraggeber für die Oberbillwerder-Fläche ist die IBA/IPEG und für die Ausgleichsmaßnahme Korridor sei
die BUKEA zuständig. Und im Übrigen habe sich der zweite Antrag immer nach dem Erstantrag zu orientieren.
An dieser Stelle sollte man über die Elbe nach Finkenwerder blicken. Dort sollen auf 38 ha überwiegend Einfamilienhäuser gebaut werden (ursprünglich ca. 430 Wohneinheiten), der B-Plan
Finkenwerder 32 wurde 2009 verabschiedet. Bis heute, nach gut 30 Jahren Planungen des Gesamt-Projektes, gibt es bislang keinen Planfeststellungsbeschluss zum wasserrechtlichen Verfahren und somit
keine Baumaßnahmen.
*IPEG (IBA Projektentwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG) ist eine Tochtergesellschaft der IBA Hamburg GmbH. Sie übernimmt die Verantwortung für die Entwicklung, Erschließung, Vermarktung und Finanzierung des geplanten neuen Stadtteils.
Immer mal wieder kommt dieser Satz, wenn über die Flächen in Oberbillwerder gesprochen wird: "Das ist doch nur ein Acker!" Zunächst einmal ist es in der heutigen Zeit nicht unwichtig einen Acker zu haben, der für unsere Ernährung sorgt. In einer Kulturlandschaft ist das Vorkommen eines "Acker" oder von Weideland nicht unüblich. Acker ist die Bezeichnung für landwirtschaftlich genutzten Boden. Die Oberbillwerder-Fläche besteht ca. zu aus 2/3 Acker und 1/3 Grünland. Darin zahlreiche Marschgräben und Senken auf Marschboden z.T. mit Torf, d.h. Moormarsch. Der Marschboden insgesamt ist Schwamm und Wasserspeicher.
Neben der Nutzung für die Landwirtschaft enthält die Fläche in der Kulturlandschaft Billwerder auch zahlreiche und geschützte Tierarten. Im Vorübergehen sieht man davon nicht viel. Die Flächen sind auch sehr groß. Dafür muss man sich etwas Zeit nehmen und genauer hinschauen. Unser Vogelexperte (professioneller Biologe) hat in nur einer Stunde im Juni 2023, in dem Gebiet von Oberbillwerder folgende Beobachtungen gemacht:
"Ich bin heute nochmal der Treckerspur gefolgt und habe auf ca. 60 ha folgendes festgestellt u.a. auch mit zahlreichen Klangaufnahmen. 6. Juni 2323, 5 - 6 Uhr, z.T. nebelig, sehr hohe Gesangsaktivität.
Ebenso befindet sich auf der Fläche eine Menge von Insekten: Schmetterlinge, Libellen, Heuschrecken u.a.. Die Vögel stehen in der Nahrungskette und kommen hier nicht ohne Grund so häufig vor. Das ist ein eindrucksvoller Hinweis zur Artenvielfalt, den ein Nicht-Naturexperte nicht vermuten würde.
Und was schätzen die Tiere zusätzlich an dieser Fläche? Die Weite. Sie gewährt ihnen Ruhe und Sicherheit. Der Bau von Oberbillwerder würde diesen Zustand zerstören. Er wirkt gegen die Artenvielfalt, in einer Zeit in diese immer mehr an Bedeutung zunimmt. Da helfen auch kein Grüner Loop oder Animal-Aided-Design.
Sieht so die Zukunft der Billwerder Kulturlandschaft aus?
Auf denkbar schlechtem Marsch-Untergrund werden viele Tiere und Pflanzen vertrieben und zerstört. Ein gigantischer CO2-Turbo läuft dann an, um mindestens 1,2 Millionen Tonnen Sand für die
Aufschüttung des Geländes anzufahren.
Wir gehen von deutlich höheren Mengen aus, als bislang angesprochen. Die Klimakatastrophe wird bei dem Wohnungsbauprojekt Oberbillwerder komplett ausgeblendet. Mindestens 118 ha Grünland würden verschwinden. Die Planungsgesellschaft IBA verschweigt dieses Thema in ihrer Öffentlichkeitsarbeit komplett. Der von den Planern vielgepriesene "Grüne Loop" ist nichts weiter als ein Feigenblatt unter das man die wahre Zerstörung der Natur versteckt. Greenwashing im Namen der Stadt Hamburg!
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Mit dieser Übersicht zu fünf geplanten Flächen wird deutlich, wie gewaltig diese für den Stadtteil (das Dorf!) Billwerder sein werden. Eine Vertretung der Dorfgemeinschaft erhielt am 11. Juli 2020 Redezeit im Bergedorfer Stadtentwicklungsausschuss. Unsere Standpunkte zum Bürgerbegehren wurden sehr ausführlich vorgetragen. Der Ausschuss fand coronabedingt unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.